Vor diesem “Zustand”, dieser “Haltung” hängen so einige Vorhängeschlösser.
Sie heißen Mindfulness (Achtsamkeit), Love and Kindness (Liebe und Güte), Forgiveness (Vergebung) und Compassion (Mitgefühl).
Die Schlüssel dazu muss ich mir selber “schmieden” und das erfordert Geduld und viel Übung. Ich muss aufgeschlossen sein gegenüber Dingen, die mein Verstand jetzt noch nicht begreifen kann.
Zum Beispiel – die Sache mit “Love and Kindness” für alle Lebewesen. Okay – das ich Vegetarier werde ist für mich mittlerweile nicht mehr undenkbar. Ich bin auch schon so weit, dass ich die kleinen Schnecken mit ihren hübschen platten Schneckenhäusern vom Weg auf’s Gras setze, damit wenigstens diese eine oder diese zwei nicht vom nächsten noch platter gemacht werden.
Um ähnliche Fürsorge jedoch auch für die flinken Kakerlaken, die beißenden rote Ameisen und stechende Mücken aufzubringen braucht es noch sehr viel Überzeugungskraft.
Noch schwieriger wird es bei dem – teilweise Greultaten vollbringenden – “menschlichen” Anteil der Lebewesen. Alle lieben? Für alle Wohlwollen/Güte (ich schreibe mit Absicht nicht “Freundlichkeit oder Höflichkeit” denn das ist meistens mit einem Vorteil für sich selbst verbunden) empfinden? Geht’s noch?
Aber genau das ist der Knackpunkt. Einem netten “rechtschaffenden” Menschen oder einem Hundebaby diese Gefühle entgegen zu bringen ist einfach – das gleiche für “alle” – ungeachtet ihrer Taten – wirklich zu empfinden – ist eine mächtige Herausforderung.
Wobei wir bei der “Vergebung” wären. Der beste Satz den ich dazu bisher gehört habe ist folgender: “Nicht vergeben ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt”.
Vom Bhudda gibt es dazu unter vielen anderen Geschichten diese:
Zwei Mönche treffen sich wieder – nachdem sie jahrelang in einen Gefängnis auf’s schlimmste gefoltert wurden.
“Hast du deinen Peinigern verziehen?” fragt der erste. “Nie im Leben! Nie im Leben werde ich verzeihen was sie mir angetan haben” antwortet der zweite und der erste erwidert darauf: “Dann halten sie dich also noch immer gefangen, nicht wahr?”
Vergeben heißt nicht, das Getane oder Gesagte zu vergessen, zu tolerieren oder zu akzeptieren sondern die Vergangenheit loszulassen und sich selbst von der Wut, dem Groll und dem Schmerz zu befreien.
Verzeihen ist ein Geschenk, dass man sich selbst macht!
Es gibt spezielle “Love and Kindness” und “Forgiveness” – Meditationen in denen man sich Situationen, Menschen, Dinge vorstellt und dabei bestimmte Sätze immer wieder wiederholt. Es geht darum zu beobachten und zu fühlen, aber nichts davon emotional zu bewerten.
Wenn man z.B. an jemanden denkt, dem es nicht gut geht – geht es darum mitzu”fühlen” nicht mitzu”leiden”. Ein Mitleidender ist emotional betroffen und fühlt sich dadurch schlechter – ein Mitfühlender kann helfen und unterstützen.
Das Beobachten führt zum nächsten Punkt: Mindfulness
“Zu wissen, dass man weiß, was man sagt, fühlt, tut”. Seine Wahrnehmung breiter fächern und gleichzeitig genauer hinsehen und genauer in sich “rein-hören”. Achtsamkeit kann man den ganzen Tag praktizieren. Hier herrscht von 21:30 bis 8:30 (Mittwochs auch beim Mittag- und Abendessen) Stille. Im Idealfall wird überhaupt nicht kommuniziert – also keine Zeichensprache, kein Blickkontakt. Weil aber doch einige sprechen, gab es schon ein paar Zurechtweisungen.
Die Silence Time soll die Achtsamkeit erhöhen – man soll nicht abgelenkt werden.
Ab ca 5:30 Uhr sind schon einige unterwegs um Kaffee- oder Teewasser zu holen und so einige auch um zu Rauchen.
Das Rauchen ist nicht verboten – aber nur an einem einzigen Ort auf diesem über 270 000 Quadratmeter großen Grundstück erlaubt und es ist gewiss nicht der schönste. Gemäß der Richtlinien soll es auf keinem Fall zu einem “Social Event” werden – wird es aber natürlich wie überall – aber eben nicht vor 8:30. Da sitzen wir schweigend und versuchen aneinander vorbeizusehen. Auch für das Rauchen gibt es eine Empfehlung: Man soll “mindfully” rauchen und sich mit jedem Zug bewusst machen – wie sehr man seinen Körper damit schädigt. Recht haben sie ja – aber da sagt ich einfach mal “Rom wurde auch nicht an einen Tag erbaut”…… 🙂
Die Stille finde ich beim Essen am schwierigsten und die Auswirkungen der Achtsamkeit am beeindruckensten (weil es auch nicht viel Übung braucht um die Vorteile zu erkennen). Zwei Leute gegenüber, links und rechts einer – und keinen soll man angucken. Nicht ganz einfach. Aber
ohne Fernseher oder Buch – schmeckt das Essen anders. Nein – man schmeckt das Essen anders. Wenn ich einen Löffel Müsli nehme, meinen Löffel aus der Hand lege und anfange ganz bewusst zu kauen – liegt der “Vorteil der Achtsamkeit” direkt auf der Zunge. Aha – ein Stück Ananas – hmm, eine Rosine – süß, ein Stückchen getrocknete Banane – knack…..
Man ißt langsamer und wird früher satt.
Achtsamkeit bedeutet auch darauf zu achten wie man auf andere Menschen reagiert. Welches ist die erste Reaktion? Ganz bewusst kurz zu “stoppen”. Upps – Antipathie? Wo fühle ich das? Warum fühle ich das? Und dann sozusagen im Kopf noch mal einen Schritt zurückzugehen,versuchen offen und unvoreingenommen zu sein.
Ich hielt mich selbst für einen Menschen mit wenig Vorurteilen. Aber wenn ich jetzt genauer hinsehe, merke ich doch, dass ich die Leute, die ich treffe doch in Schubladen stecke – ganz unbewusst. Das ist aber nicht so schlimm – wichtig ist, dass ich es überhaupt bemerke und die Schublade schnell wieder öffne und mich überraschen lasse!
Wir sind alle unschuldig auf die Welt gekommen und hinter jedem steckt eine Geschichte, die ihn zu dem gemacht hat was er jetzt ist. Und jeder will doch im Prinzip nur eins: Glücklich und zufrieden sein.
Was uns nach der bhuddistischen Philosophie (unter anderen) daran hindert, ist das “festhalten wollen” an Angenehmen und die Abneigung gegen Unangehmes. Das “festhalten wollen” verursacht Geiz, Eifersucht und Stolz, die Abneigung Ärger, Hass und Furcht.
Und wenn ich jetzt auch noch die Vergänglichkeit aller Dinge mit ins Spiel bringe… 😉 wird dieser Artikel nie fertig!
Jetzt werde ich mich erstmal in “Sleeping in the present moment” üben. Morgen um 5 Uhr klingelt mein Wecker..