Das “Hungry Ghost Retreat” hat mich…

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… doch buchstäblich vom “Meditationshocker” gehauen! Was jedoch in diesem Fall eher kontraproduktiv ist – denn einschlafen ist nicht Sinn und Zweck einer Meditation!

Mein Versuch meinen Geist zu beruhigen, indem ich mich auf meine Atmung konzentriere, Gedanken kommen und gehen lasse, ohne sie zu bewerten ist regelmäßig fehlgeschlagen.

Die Gedanken spazierten durch mein Hirn, wie eine Schar ungebetener Gäste – manche von ihnen definitiv Raucher 😉 denn sie verschwinden mal kurz nach draußen, sind aber schnell wieder zurück.
“Oh ist das stickig hier drin” – Einatmen 1-2-3, Ausatmen 1-2-3-4-5 “Rücken grade – Kopf hoch” Einatmen 1-2-3, Ausatmen 1-2-3-4-5 “Hab ich noch Kaffee im Zimmer?” Einatmen 1-2-3, Ausatmen 1-2-3-4-5 “Ob Trump die Wahl wirklich gewinnt?” Einatmen 1-2-3, Ausatmen 1-2-3-4-5 (jemand niest) “O je hoffentlich passiert mir das nicht mal, muss ein blödes Gefühl sein wenn man merkt die Nase juckt – alles ist mucksmäuschen still. Das war zwei neben mir. War das der von den Phillipinen? Da möchte ich auch mal hin. Tauchen mit Walhaien. Die Flüge von hier aus sind nicht mal so teuer. Tauchen – das Gefühl der Schwerelosigkeit, die Stille….. oh verdammt! und oh verdammt – ich soll doch nicht bewerten” Einatmen 1-2-3, Ausatmen 1-2-3-4-5 (ein Mosikto nimmt auf mir Platz) “Meditierende bewegen sich nicht! Ach Quatsch du meditierst doch garnicht dann kannst du dich auch bewegen – Au – zu spät” “Wielange dauert das denn noch??? Mein Fuß ist eingeschlafen”…………………….

In Cambodia hatte ich es bereits geschafft die Abstände zwischen meinen Gedanken zu vergrößern und mich länger allein auf meinen Atem zu konzentrieren. Nicht das NICHT-DENKEN ist das Ziel – für mich als Mediations-Anfänger – sondern das “entschleunigen” und das bewusste wahrnehmen der Gedanken als ein neutraler Beobachter – ohne Wertung, ohne Gefühle.

Mit bestimmten Meditationen kann man die Qualität der Gedanken auch beeinflussen und schon Marcus Aurelius sagte: “Das Glück deines Lebens hängt von der Beschaffenheit deiner Gedanken ab” und Buddha meinte dazu: “Alles was wir sind, ist das Resultat dessen, was wir gedacht haben”

Ich habe erfahren, dass der “normale” Mensch pro Tag ca. 60 000 Gedanken hat. 80 bis 90 % davon sind Gedanken, die sich immer wieder wiederholen. Es gibt also viel zu tun, wenn ich da oben mal aufräumen will.

Ich werde noch eine Weile hier in der “New Life Foundation” bleiben. Der Name sagt schon viel darüber aus, was die Menschen hier versuchen zu finden. Sie wollen das “alte Leben” hinter sich lassen und die Grundlage für etwas Neues schaffen. Ein guter Platz für mich, denn nachdem ich meinen Job aufgegeben und meine Weiterbildung beendet habe – weiß ich nicht so recht wie es mit mir weitergehen soll.

Meine Zeit im Tempel in Cambodia war sehr intensiv – mit vielen Hochs und Tiefs, aber das hat mich mir schon ein großes Stück näher gebracht. Einige Leute da haben mich inspiriert und ich war sehr überrascht, dass manche das gleiche von mir und meinem Leben sagten. Stark und mutig sind nicht gerade Attribute, die ich mit mir in Zusamenhang bringen würde.

Aber inzwischen kann ich mir schon manchmal selbst auf die Schulter klopfen. Ich steige in Flugzeuge, obwohl ich Flugangst habe, habe ein Müllhalde-Dinner und 2 Monate (fast) nur mit veganem Essen unbeschadet überstanden, in Tuk-Tuks noch keinen Nervenzusammenbruch erlitten, war mit Tyhus infiziert, habe 6-spurige asiatische Straßen überquert, eine Höllenfahrt in den Himalaya verkraftet, wilde Bären und Tiger mit reiner Willenkraft von mir ferngehalten, mich auf ein Motorrad gewagt, Monster-Moskitos haben mir nach dem Leben getrachtet und eine Kindergarten-Klasse zu unterrichten ist auch nicht ohne 😉 (Naja – und Rishikesh lassen wir jetzt mal außen vor).

Als ich im April losgezogen bin – dachte ich, ich würde ein paar Länder bereisen (auch wenn ich noch nicht entschieden hatte welche) – ich habe nicht geahnt, dass diese Reise eine ganz andere werden würde, nämlich eine Reise zu mir selbst 😉 Eine Entdeckungsreise der anderen Art – und ich freue mich darüber und bin neugierig.

An diesem Platz habe ich alle Möglichkeiten weiter zu lernen. Yoga, Meditation, viele interessante Workshops über alle möglichen Themen und ich kann von den Menschen hier lernen.

Hier sind Leute mit Burnout, Essstörungen, Depressionen, Borderline-Syndrom genauso wie trockene Alkoholiker und/oder Ex-Drogensüchige. Männer, die Kriegserlebnisse nicht verkraften. Menschen, die um andere trauern. Eine junge Ägypterin, die vor 4 Wochen ihr Kopftuch abgelegt und mit ihrer Familie “gebrochen” hat und (ich glaube) eine Transsexuelle.
Aber hier sind auch Reisende, die einfach nur das Gefühl haben, dass irgendetwas in ihrem Leben fehlt, oder nicht richtig läuft und die buddhistische Philosophie etwas näher kennenlernen wollen.
Alle sind im Wandel, alle auf der Suche und so unterschiedlich die Hintergründe, die Lebenswege und Geschichten auch sein mögen – hier kann jeder von jedem lernen.

Die erste Woche mit dem Meditationsseminar war sehr anstrengend. Start um 6:30 – Ende 21:00 – nach Frühstück und Abendessen jeweils eine halbe Stunde und Mittags eine Stunde Freizeit. Ich fühlte mich richtig gestresst. Bin um 5 Uhr aufgestanden, weil ich morgens immer meine Zeit brauche – Kaffee, Zigarette(n) und was man eben morgens noch so macht.
Ich kannte nur meine zwei Lehrer aus Cambodia und die Umstellung auf einen neuen ist mir schwer gefallen. Zum Ende hin wurde es dann besser – aber ich war echt froh als es Freitag nachmittag vorbei war.

Ich hab das Wochenende genossen. Zimmer aufgeräumt, Wäsche gewaschen, hin und wieder für ein Nickerchen hingelegt. Am Samstag war ich in einem großen Einkaufcenter “shoppen” und es war nach 3 Monaten ein ziemlich überwältigendes Gefühl alles was man braucht oder brauchen könnte in Reichweite zu haben.
Als ich an einem Mc Donalds vorbei kam – konnte ich einem Doppelcheeseburger, Cola und Pommes nicht widerstehen.
Und ich habe es genossen mir ganz in Ruhe Dinge anzusehen, die endlich mal wieder ein Preisschild haben.

Ich habe mir das teuerste Mückenspray (12 Euro) das ich finden konnte gekauft – die Mücken fressen einen hier auf.
Alle sind total verstochen und viele haben entzündete Stellen vom Aufkratzen. Ich kann mich zurückhalten und bin froh, dass ich nicht wieder Elefantenfüße bekomme.